Kirchzell

Unterfranken

Bierhaus - 1786 bis 1906

63931 Kirchzell

Ob der Küfer Valentin Heß, der von 1744 bis 1807 lebte, schon Bier braute, ist nicht bekannt. Sicher tat es aber der Sohn Franz. Er war gelernter Bierbrauer. Schon 1786 suchte ein aus Weilbach stammender Bierbrauer Jacob Ott um ein Feuerrecht für eine Bierbrauerei und Weinbranntbrennerei in Kirchzell nach. Ob er es erhielt und ausübte, ist allerdings ebenso wenig bekannt. Er wurde aber Bürger von Kirchzell.

Der Sohn von Franz Heß, Franz Valentin (1813-1877), gibt als Berufsbezeichnung Bierwirt und Küfer an. Bis in die jüngste Vergangenheit verband sich mit dem Haus Nr. 46 der Name "Bierhaus".

Bemerkenswert ist noch, dass bei dem Ehevertrag des Franz Valentin Heß mit Maria Anna Mechler aus Ottorfszell vom 2. November 1838 seine Mutter mit drei Kreuzchen unterschrieb. In diesem Vertrag ist u.a. als Übergabegut aufgeführt: "...sämtliche vorhandene zur Bierbrauerey und Kieferprofession gehörige Gegenstände als: Fässer, Tische, Stühle, Gläser, das Kieferhandwerksgeschirr, Bier- und Branntweinkessel mit allem Zugehämm". Und weiter heißt es: "....hat Hausbesitzer den Aeltern beim jedesmaligen Biersieden und beim Branntweinbrennen täglich zwei Zuber Futtergetränk zu verabreichen".

Im Übergabevertrag von Franz Valentin an seinen Sohn Franz Aloys Heß und dessen Verlobte Maria Josepha Haas aus Watterbach vom 23. Dezember 1874 ist u.a. vermerkt, dass neben der Braustätte auch eine Kegelbahn und eine Trinkhalle übergeben wurde. Ferner sind drei Hopfengärten mit 651 Dezimalen (= 2/3 Tagwerk) Fläche, sowie ein Keller unter Haus Nr. 71 und 74 erwähnt. Hier handelt es sich vermutlich um die Eis- und Lagerkeller der Brauerei, die an der alten Hauptstraße gelegen waren. Wegen dieser Keller kam es bereits 1842 zu Rechtsstreitigkeiten, die nach einigem Hin und Her in einem Gütetermin beigelegt wurden. Dem Kläger Johann Gerhard, unter dessen Haus ein Teil der Bierkeller lag, fühlte sich durch eine Erweiterung dieser Keller benachteiligt, weil, wie es in den Akten wörtlich heißt: "...durch den starken Luftzug sich im Winter die Kälte mehr in meiner Wohnung verbreitet. Auch lässt sich der Beklagte im Winter öfters beigehen, Feuer in seinem Keller zu unterhalten, von wo aus dann der Geruch in meine Wohnung eindringt." Weiterhin sieht der Kläger bei weiterer Vergrößerung der Keller sein Wohnhaus gefährdet.

Man hat dann einen Vergleich geschlossen, in welchem der Beklagte verpflichtet wird den Zugang vom unteren zum oberen Keller im Winter stets geschlossen zu halten und im Keller kein Feuer mehr zu unterhalten. Der Kläger musste sich andererseits verpflichten das Oberflächenwasser, das sich auf seiner Hofreithe sammelte, abzuführen, damit es nicht in die Keller des Beklagten eindringen konnte.

Sehr streng gehandhabt wurde im 19. Jahrhundert auch die amtliche Festlegung der jeweiligen Bierpreise. So teilte z.B. das Fürstliche Herrschaftsgericht in Amorbach mit Schreiben vom 19.Januar 1841 den Kirchzeller Bierbrauern mit, dass der "definitive Satz des Winterbieres 1840/41 im Polizeibezirk Amorbach vier Kreuzer per Maaß beträgt. Diese Taxe ist jedoch jene der Brauer (Ganterpreis) und es beträgt der Schenkpreis: vier Kreuzer zwei Pfennige für die Maaß." Wurde dies nicht befolgt, gab es saftige Strafen. Ebenso achtete die Obrigkeit streng darauf, dass die Vorschriften über die Herstellung von Sommer- und Winterbier von den Bierbrauern genauestens eingehalten wurden. In einem diesbezüglichen Schreiben des Fürstlichen Herrschaftsgerichts an die Gemeindevorsteher von Weilbach und Kirchzell vom 26. November 1843 heißt es: "...und da der Brauer Uhrig zu Weilbach und der Inhaber einer Brauerei Concession Valentin Breunig zu Kirchzell für das Sudjahr 1843/44 noch kein Winterbier eingesotten haben, so wird denselben hiemit die Auflage gemacht innerhalb 14 Tagen bei Vermeidung einer Strafe von 10 Reichsthalern eine entsprechende Quantität von Winterbier zu sieden, wozu jedoch Valentin Breunig, wie es sich von selbst versteht einen geprüften Werksführer aufstellen muß." (Breunig war kein Bierbrauer). Sollten Uhrig und Breunig dieser Auflage keine Folge leisten, so "wird nicht und allein mit steigenden Strafen gegen sie eingeschritten werden, sondern sie haben auch nach Art. 6 Absatz 4 des Gewerbegesetzes vom 11ten Sept. 1825 die Einstellung ihrer Concession auf bestimmte Zeit, oder nach Umständen sogar deren gänzliche Einziehung zu gewärtigen". Valentin Breunig war der Besitzer des Gasthauses und der Brauerei "Zum Ochsen". Die Bierherstellung wurde vermutlich schon in den 60er oder 70er Jahren des 19. Jahrhunderts aufgegeben.

Franz Alois Heß beantragte 1871 eine Erweiterung seiner Wirtschaftskonzession auf den Biergarten und die Kegelbahn, die er mit Schreiben vom 14. April 1871 für die Sommermonate von Mai bis Oktober auch erhielt. Vermutlich wurde Bier nur für den eigenen Bedarf hergestellt. Über die Belieferung anderer Wirtschaften ist nichts bekannt.
Franz Alois Heß verstarb, nur 31-jährig, 1880 an den Folgen eines Unfalls. Er löschte eine Petroleumlampe. Dabei fiel der Stuhl um, auf dem er stand, und das heiße Petroleum ergoss sich über ihn. Seine Kleider brannten, er wälzte sich im Sand vor der Haustüre. Kirchgänger halfen beim Löschen. Aber durch die eingeatmeten Gase wurde die Lunge so schwer geschädigt, dass er nach drei Jahren Bettlägrigkeit daran starb.

Seine einzige Tochter, Maria Josepha Renata, heiratete 1906 den Freudenberger Metzgermeister Jakob Köhler. Es ist anzunehmen, dass der Braubetrieb spätestens zu diesem Zeitpunkt eingestellt wurde, wahrscheinlich aber schon früher. Die Gastwirtschaft betrieben die Tochter Anna und ihr Mann Albert Weidner noch bis 1970. Heute befindet sich darin die Bäckerei Noe.

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